Who Watches the Watchmen?
Liebe Leserinnen und Leser,
vor kurzem entstand eine Debatte unter deutschen Datenschützern, ausgelöst durch eine Nachricht, die vielen Medien keine Erwähnung wert war: Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI BW), Dr. Stefan Brink, stellte am 31. Januar die Nutzung seines Twitter-Accounts ein. Es ist bloß ein Account unter ca. 330 Millionen aktiven Nutzern – würde man eine Marathondistanz (42,195 km) durch Twitter-Accounts abbilden, so entspräche dieser einzelne Account gerade mal der Dicke einer Seite üblichen 80-Gramm-Papiers (128 μm).
Und doch war der „Twexit“ in der Datenschutz-Community ein Paukenschlag, denn der LfDI BW verkündete, es sei nicht gelungen, mit Twitter eine erforderliche wirksame Vereinbarung über die gemeinsame Verantwortlichkeit abzuschließen. Die Auffassung impliziert, dass jedenfalls sämtliche nicht-privaten Twitter-Accounts nicht frei von Datenschutzverstößen betrieben werden können. Kaum ein größeres Unternehmen kommt heute ohne einen solchen Account aus, und auch die Übertragung des Gedankens auf „private“ Accounts und andere Plattformen wie Facebook & Co. liegt wahrlich nicht fern.
Aber nicht nur Unternehmen sind in sozialen Netzwerken aktiv. Die Bundesregierung ist z.B. auf Facebook vertreten, das Wirtschaftsministerium auf LinkedIn, das Justizministerium auf Xing. Außerdem mit dabei: Die Datenschutzaufsichtsbehörden. Umso mehr sorgte es für Aufsehen, dass der LfDI BW wenig später ankündigte, künftig nicht nur gegen Social-Media-Präsenzen von Unternehmen, sondern vor allem auch gegen Behörden vorzugehen. Behörden haben in Bezug auf die vielfach gefürchteten Geldbußen jedoch einen Vorteil: Sie können wegen § 43 Abs. 4 BDSG nicht Adressat eines solchen Bußgeldes werden.
„Wer überwacht eigentlich die Wächter?“ mag man sich angesichts des Umstands fragen, dass auch einige deutsche und europäische Aufsichtsbehörden – unbehelligt von jeder höheren Instanz – weiterhin Accounts in sozialen Netzwerken unterhalten. Und so twittert etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte fleißig weiter, während die beaufsichtigten Unternehmen ein Vabanquespiel zwischen Rechtssicherheit und zeitgemäßer Öffentlichkeitsarbeit eingehen.
Die Linie der deutschen „Watchmen“ gegenüber Unternehmen scheint klar, und kann mit dem wohl berühmtesten Zitat aus dem gleichnamigen Film wiedergegeben werden: „Never compromise.“ So weit, so gut. Allerdings muss man dem entgegenhalten, dass der deutsche Gesetzgeber für die Behörden schon einen Kompromiss eingegangen ist – indem er § 43 Abs. 4 BDSG schuf.
Neben weiteren interessanten Beiträgen freue ich mich besonders, dass der „Twexiteer aus dem Ländle“ höchstpersönlich in dieser Ausgabe zu Wort kommt. Eine spannende Lektüre wünscht
Ihr
Alexander Golland
(Dieser Text ist als Editorial in der Ausgabe 02 / 2020 des Datenschutz-Berater erschienen)
Comments