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  • Philipp Quiel

Nachdenkliche Grußworte


Sehr geehrte Leserinnen und Leser,


ich möchte dieses Editorial dafür nutzen, meine Gedanken zu dem Vorfall bei der „Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht“ (NZA) mit Ihnen zu teilen. Es geht mir nicht darum, einem richtigerweise fachlich renommierten und konkurrierenden Verlag einen Seitenhieb zu verpassen, sondern um die für mich unverständlichen Vorkommnisse an sich. Der von Prof. Dr. Zuck für die NZA verfasste inhaltlich nicht nachvollziehbar begründete und zwischenmenschlich ungemein schwierig wirkende Versuch einer Erklärung, warum es nicht rassistisch sein solle zu jemandem „Ugah Ugah“ zu sagen, hat richtigerweise viel Aufmerksamkeit erhalten. Der Abdruck des Kommentars verärgert und macht mich nachdenklich.


Einigen von Ihnen ist vielleicht nicht im Detail bekannt, wie der Auswahlprozess und die Durchsicht von Entwürfen bei einer Fachzeitschrift verlaufen. Ich möchte dies kurz für den Datenschutz-Berater erläutern. Potenzielle Autorinnen und Autoren wenden sich mit einem Veröffentlichungsvorschlag an uns oder die Redaktion fragt eine Person direkt an. In beiden Fällen werden die Entwürfe von mindestens einem Mitglied der Redaktion Satz für Satz gelesen und dabei inhaltlich und auch sprachlich ein Stück weit geprüft. Manchmal werden die Texte stellenweise redaktionell überarbeitet oder auch als für eine andere Zeitschrift besser passend befunden. Alle Mitglieder der Redaktion und der Verlag erhalten den gesamten Entwurf des Hefts vor Übersendung an die Druckerei. Trotz dieser Prozesse fallen kleine Fehler manchmal erst nach dem Druck auf. Das ist glaube ich bei vielen Fachzeitschriften der Fall und auch nicht weiter dramatisch. Doch um kleine Fehler geht es nicht in diesem Editorial.


Die Herausgeber und Mitglieder der Schriftleitung der NZA sind besonders renommierte Juristinnen und Juristen und die Zeitschrift ist fachlich sehr hoch angesehen. Wenn in einem Textentwurf einer Aussage nur wegen angeblich nicht möglichen Tiervergleichen eine rassistische Motivation abgesprochen wird, dann sollte das bei der Durchsicht auffallen. Wenn Rechtfertigungsversuche in Verbindung mit Rufen der Steinzeitmenschen und einer weißen Frau, die ihrem dunkelhäutigen Mann auf dessen Bitte nach Bananen beim Frühstück „Ugah Ugah“ zuruft, vorgenommen werden, dann muss das auffallen. Wenn Prof. Dr. Zuck schreibt, dass man sich an Körpermerkmalen von Menschen mancher Herkunft „stören“ würde, und sein Beitrag die Verwendung althergebrachter, herabsetzender Begriffe nicht scheut, dann steht das einer redaktionellen Freigabe meiner Ansicht nach indiskutabel im Weg. Ich kann mir (leider) nicht vorstellen, dass ein Autor eine in der Sache mit Rassismus zusammenhängende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bespricht und so etwas übersehen werden kann. Es wirkt ein Stück weit, als habe man auch ausloten wollen, „was man denn heute noch schreiben darf“. Bei der Beantwortung dieser Frage geht es regelmäßig nur darum auszutesten, wie die am stärksten verletzende und grade so vielleicht noch rechtskonforme Formulierung lautet. Eine unsympathische Herangehensweise, wie ich finde.


Der Beitrag ist bei Beck-online nicht mehr abrufbar. Es wurde eine Entschuldigung veröffentlicht, die jedoch die Frage nach der Ursache für den Abdruck des Beitrags nicht thematisiert. Letzteres ist aus vielen Gründen und auch für die juristische Zeitschriftenkultur nicht gut. Es ist mir eine Herzensangelegenheit darauf hinzuweisen, dass – wie auch Hendrik Wieduwilt kürzlich trefflich schrieb – Anti-Rassismus in Deutschland vor allem Aufgabe derjenigen ist, die aufgrund ihres vermeintlich „typisch deutsch“ wirkenden Aussehens nicht auf dieser Grundlage diskriminiert werden. Mit nachdenklichen Grüßen



Ihr

Philipp Quiel



Dieser Beitrag erschien als Editorial in der Ausgabe 03/2021 des Datenschutz-Berater.

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